Wie wird man Tätowierer

Wie wird man Tätowierer ist eine der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit unserem Beruf. Deswegen möchte ich in diesem Artikel ausführlich über verschiedene Zugänge zu diesem Traumberuf erzählen. 

Wie wird man Tätowierer – Das Berufsbild

Als Tätowierer*in ist man selbstständig im Bereich der körpernahen Dienstleistungen. Als körpernah wurden diese Dienstleistungen laut meiner Wahrnehmung erst seit Corona klassifiziert. In der Auflistung aller Wirtschaftszweige werden wir unter Punkt S WZ08: 96.09.0 geführt und fallen unter „sonstige anderweitig nicht erfasste Dienstleistungen“.

Wie wird man Tätowierer
Auszug aus der Klassifikation der Wirtschaftszweige

Für diesen Beruf gibt es keine staatlich regulierten Berufszugangsregelungen. Heißt, jede*r kann sich Tätowierer*in nennen ohne eine Ausbildung oder Kenntnisse nachzuweisen.

In den Bundesländern gibt es verschiedene Auflagen zum Hygienemanagement. Manche Bundesländer verlangen einen Nachweis zur Sachkenntnis im Bereich Infektionshygiene.

Einen Nachweis über Fachkenntnis und professionelles Arbeiten muss man in Deutschland nicht erbringen.

Der Beruf umfasst viele Tätigkeitsbereiche und Anforderungen:
Tätowieren als handwerkliche Fähigkeit, Kundenkommunikation und Umgang mit Kund*innen, Zeichnen, Fähigkeiten in den Bereichen Marketing und Social Media, umfangreiches Fachwissen im Bereich Infektionshygiene, Wissen im Bezug auf die Haut und ihrer Heilungsprozesse, Studio- und Terminmanagement, Teambuilding, Reinigungsarbeiten, Dokumentationsangelegenheiten, Datenschutz,… Die Aufgaben sind vielfältig.

Engen Kontakt mit Menschen muss man gut aushalten können

Wie wird man Tätowierer – Wege in den Beruf

Learning by doing

Viele Tätowierer*innen haben sich alles, was man für den Beruf braucht selbst beigebracht. 

Heutzutage ist das einfacher, als noch vor zehn Jahren. Es gibt inzwischen Online-Tutorials und sogar Anbieter, die komplette Kurse mit abschließender Zertifizierung anbieten. Fachbücher oder Präsenzveranstaltungen findet man eher selten.

Noch immer haben viele Interessierte keine andere Möglichkeit, als Zuhause an Freunden und Familienmitgliedern auf eigene Faust zu üben, bis die Werke gut genug sind, um eine Selbstständigkeit anzustreben oder sich in einem Studio zu bewerben.

Kritik

Sowohl Onlinekurse, als auch das eigenständige Lernen bieten viele Risiken und Lücken. Da es keine einheitlichen Vorgaben dazu gibt, was ein*e Tätowierer*in können und wissen muss, bleibt es sowohl den Anbietern, als auch den Lernenden überlassen, welche Fähigkeiten sie erwerben. Besonders im Bereich der Infektionshygiene ist das Risiko für Kund*innen nicht unerheblich. Es gibt keine unabhängige oder übergeordnete Instanz, die Kriterien für eine vollständige Ausbildung festlegt.

Auch die Kenntnis über adäquates Arbeitsmaterial ist oft ungenügend. Gutes Material gibt es in den meisten Shops nur mit Gewerbeschein. So verzweifeln viele Lernende und Kund*innen an und durch Arbeiten mit minderwertigen Tattoomaschinen, die für kleines Geld im Internet angeboten werden.

Das bin ich vor meinem Studio

Ausbildung im Tattoostudio

Wer das Glück hat, einen Ausbildungsplatz in einem Tattoostudio zu bekommen, genießt den Vorteil mit berufserfahrenen Tätowierer*innen zusammenzuarbeiten. Lernt man in einem größeren Team, profitiert man im besten Fall von den Kenntnissen aller.

Auch die Arbeitsabläufe lernt man so kennen, den Umgang mit Kund*innen und die Anforderungen durch die örtlichen Behörden.

Häufig lassen sich die Studioinhaber oder die Verantwortlichen die Ausbildung teuer bezahlen. Summen von durchschnittlich 20.000 Euro sind üblich. Das liegt daran, dass jede*r Tätowierer*in sich sein/ihr Wissen selbst teuer erkauft oder hart erarbeitet hat. Nicht viele sind bereit, diesen Wissens-Schatz ohne Gegenwert zu teilen. Der Ausbilder muss schließlich auch immer damit rechnen, dass sein Azubi ihm in wenigen Jahren einen Konkurrenz-Shop vor die eigene Nase setzt und womöglich noch Stammkund*innen mitnimmt.

Kritik

Die meisten Tattoo-Lehrlinge beklagen eine mangelhafte Organisation und Betreuung im Rahmen ihrer (bezahlten) Ausbildung. Viele Studiobetreiber nehmen sich nicht genügend Zeit, ihre Schützlinge anzulernen. Oft bleiben die Aufgaben der Ausbildung an den anderen Tätowierer*innen des Teams hängen und der Azubi muss sich selbst darum bemühen, alle Aufgabenbereiche kennenzulernen. Nicht selten werden Azubis auch über Monate oder Jahre für Reinigungs- und Organisationsarbeiten ausgenutzt, bis sie endlich tätowieren dürfen.

Trotzdem würde ich den Weg in den Beruf über ein Tattoostudio empfehlen. Die Vorteile von berufserfahrenen Menschen zu lernen und in deren Gegenwart Erfahrungen zu sammeln überwiegen die negativen Seiten.

Die Bewerbung

Wir bei Zum Buntspecht Tätowierungen bekommen in regelmäßigen Abständen Bewerbungen von meist jungen Menschen, die tätowieren lernen möchten.

Wie zu Beginn erwähnt, ist Tätowierer kein staatlich anerkannter Beruf. Wir haben keine Vorgaben dazu, was wir können müssen, es gibt keine Abschlussprüfungen oder Zertifizierungen. Trotzdem nehmen die meisten von uns ihren Beruf und ihre Profession sehr ernst. Der Beruf ist anspruchsvoll, sehr vielschichtig und wir tragen viel Verantwortung. 

Aus dieser Perspektive betrachtet, kränkt es mich, wenn Bewerber*innen in ihrer Bewerbung keinerlei Wertschätzung für die Branche transportieren.

So wird man kein Tätowierer

Wenn du dich für eine Ausbildung als Tätowierer*in bewirbst, möchte ich davon ausgehen, dass du großen Respekt vor diesem Beruf hast und dass es dein Traum ist, Tätowierer*in zu werden.

Sicherlich hast du im Rahmen deiner schulischen Ausbildung gelernt, wie man Bewerbungen schreibt und was potentielle Arbeitgeber gern über dich erfahren möchten oder müssen.

Bitte wende dieses Vorgehen auch an, wenn du dich im Tattoostudio bewirbst. Die Tatsache, dass wir von staatlicher und gesellschaftlicher Seite teilweise nicht ernst genommen werden heißt nicht, dass du eine Bewerbung schreiben kannst, als würdest du dich mit ein paar Homies für eine Ferienfreizeit verabreden.

Sensibler Umgang mit Menschen ist an der Tagesordnung

Die Standard-Bewerbung für einen Ausbildungsplatz

99% aller Bewerbungen kommen in Form von Instagram-Direktnachrichten oder knappen E-Mails. Der Inhalt geht selten über ein: „Hey, kann ich bei euch Tätowieren lernen? Ich zeichne seit meiner Kindheit.“, hinaus.

Warum sollte ein Tattoostudio einem Bewerber eine positive Zusage schicken, wenn er oder sie sich nichtmal die Mühe macht, eine ansprechende Bewerbung einzusenden?

Deinen potentiellen Ausbilder interessiert es auch nicht, wie viele Jahre du schon zeichnest, wichtig ist die Qualität deiner Zeichnungen und die zeigt man am besten in ansprechend aufbereiteten Fotos. Ein schönes Portfolio oder ein Link zu einer liebevoll gestalteten Instagram-Seite machen Sinn!

Auch deine Intention diesen Beruf zu erlernen, spielt eine große Rolle. Dass du Zeichnen kannst, sollte keine Motivation, sondern Grundvorraussetzung sein. 

Ich vermisse in den Bewerbungen stets die Motivation mit und für Menschen zu arbeiten. Zeichnen und Kreativität sind soll, aber wenn das deine einzigen Steckenpferde sind, gibt es genug andere Berufe für dich. Beim Tätowieren steht der oder die Kund*in im Vordergrund. Du tätowierst für deine Kund*innen. Daher erwarten wir Sympathie zu Menschen und Freude an der Zusammenarbeit mit ihnen.

Die tägliche Konfrontation mit fremden Menschen, die im Zweifelsfall stundenlang auf engstem Raum und mit wenig Kleidung deine Brötchen sichern, muss man nicht nur aushalten können, man muss es wollen!

Wie wird man Tätowierer – Die Nachteile

Naa… hast du in deiner Bewerbung vielleicht ein paar Gründe unerwähnt gelassen? Vielleicht träumst du von sehr viel Fame in den sozialen Netzwerken oder du glaubst, dass man mit dem Tätowieren sehr schnell sehr reich werden kann. Letzteres stimmte auch mal, aber das waren andere Zeiten.

Im Rahmen einer Ausbildung zum Tätowierer wird man anfangs oft sehr schlecht oder gar nicht bezahlt. Jeder Azubi hat das Problem, dass er oder sie anfangs kaum Umsätze generiert und parallel den eigenen Lebensunterhalt sicherstellen muss. Meine Azubis haben alle während ihrer Ausbildungszeit noch in Teil- oder Vollzeit in ihren gelernten Berufen gearbeitet. Diese Doppelbelastung mussten sie stemmen, bis wir uns sicher sein konnten, dass die Anzahl der Kundenanfragen und die Qualität der Arbeiten ausreichend waren, um den alten Job zu kündigen.

Leider ist es heutzutage auch nicht mehr so einfach, sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen. Zum einen gibt es immer mehr Tattoostudios, die Konkurrenz ist riesig und schnell erreichbar. Zum anderen sind die sozialen Netzwerke als Marketingwerkzeug nicht mehr so schnell und einfach zu bedienen, wie noch vor wenigen Jahren. Auf Instagram oder TikTok muss man viel Zeit und Kreativität investieren, um im Algorithmus-Dschungel sichtbar zu werden und zu bleiben. 

Auch emotional aufgeladene Tattoos muss man aushalten können. Hier ein Beispiel von einer Geflüchteten aus der Ukraine, die sich ihre Landesfarben als Erinnerung an ihre völlig zerstörte Heimatstadt Mariupol stechen ließ.

Mehr Konkurrenz führt natürlich automatisch zu einem größeren Preiskampf. Vor allem in Ballungsgebieten, wie den Raum Berlin oder im Ruhrgebiet gibt es mittlerweile so viele gute Tätowierer, dass es für viele nur noch möglich ist, über niedrigere Preise genug Kund*innen zu gewinnen. Die Zeiten, in denen man mit dem Tätowieren schnell wohlhabend oder sogar reich werden konnte sind leider vorbei. Hier kannst du nachschauen, wie viel du als Vollzeittätowierer*in in deinem Bundesland schätzungsweise verdienen kannst.

Das Fazit

Der Weg in den Beruf kann vielfältig und steinig sein. Häufig dauert es Jahre, bis du von dir selbst behaupten kannst, glücklich in diesem Beruf zu arbeiten und ein gutes Auskommen zu haben.
Wenn du Tätowierer*in werden möchtest, suche zunächst ein Studio, das dir stilistisch und vom zwischenmenschlichen Umgang gut gefällt. Organisiere dir die perfekten Rahmenbedingungen in Form deines Lebensunterhalts und deiner Freizeitgestaltung, sodass dir genug Zeit zum Zeichnen und Üben bleibt. Erstelle eine ansprechende Bewerbung und lasse dich nicht von Absagen einschüchtern. Gegebenenfalls musst du auch deinen Suchradius erweitern und einen Umzug in Kauf nehmen.

Ich denke, dass der Weg sich lohnt, wenn man gern mit und am Menschen arbeitet und die Hauptmotivation nicht das Geld oder ein cooler Job sind.

Hast du noch Fragen zu diesem Thema? Dann stelle sie gern in den Kommentaren. Über Themenwünsche, Kritik und Anregungen freue ich mich ebenfalls! Ich wünsche dir alles Gute für deinen beruflichen Werdegang, was auch immer du machst.

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