Warum wir das Organspende Tattoo nicht kostenlos stechen

Seit einiger Zeit häufen sich in unserem Postfach die Anfragen zum kostenlosen Organspende Tattoo. Was hinter dieser Tätowierung steckt und warum wir es nicht stechen, erfährst du in diesem Artikel

OptInk – das kostenlose Tattoo zur Organspende

Der Verein Junge Helden hat sich ein Tattoodesign überlegt, das stellvertretend oder ergänzend für einen Organspendeausweis die Einwilligung in die Organspende symbolisiert.

Die jungen Helden möchten Aufmerksamkeit für das Thema erreichen und mehr Menschen motivieren, ihre Haltung zur Organspende zu bilden und abzubilden.

Das Tattoodesign OptInk besteht aus zwei Halbkreisen und einem ganzen Kreis. Ganz abstrakt stellt es so die Vervollständigung durch ein Spenderorgan dar. Außerdem sieht man im Design die Buchstaben O und D, die für „Organ Donor“ stehen sollen.

Der Verein stellt das Design kostenfrei zur Verfügung, zu dem Zweck, es interessierten Kundinnen und Kunden kostenfrei zu stechen. Auch gestalterische Abwandlungen sind möglich.

Ersetzt das Tattoo den Organspendeausweis?

Nein, denn auch ein Tattoo bildet nur den temporären Willen des Kunden ab. Im Todesfall, wenn es zur Entscheidung über die Organentnahme kommt, haben die Angehörigen die Entscheidungshoheit. 

Ein Tattoo ist kein gültiges Dokument.

Ein Tattoo oder ein Organspendeausweis können lediglich dabei helfen, den Hinterbliebenen die eigene Entscheidung über eine Bereitschaft zur Organspende sichtbar zu machen.

Anmerkung:
In diesem Abschnitt habe ich ursprünglich geschrieben, dass auch bei Vorlage eines Organspendeausweises, die Angehörigen gegen die Spende stimmen können. Ein aufmerksamer Follower machte mich darauf aufmerksam, dass der schriftliche Wille des Verstorbenen in Form des Organspendeausweises oder einer Patientenverfügung für die Ärzte und Angehörigen bindend ist.

Trotz Tattoo können deine Angehörigen die Organspende ablehnen!

Wir machen keine kostenlosen Tattoos

Es vergeht inzwischen keine Woche mehr, in der wir keine Absagen an Kundinnen und Kunden verschicken, die das Organspende Tattoo angefragt haben.

Wir haben intensiv im Team über das Thema diskutiert und unsere Entscheidung gegen das Tattoo aus folgenden Gründen getroffen:

Wir können es uns nicht leisten

Zum Buntspecht Tätowierungen ist ein Fineline Tattoostudio. Wir sind auf kleine Tattoos und auf Fineline Tattoos spezialisiert. In diese Kategorie gehört auch das OptInk Tattoo.

Wenn wir unsere Terminslots jetzt mit haufenweise kostenlosen Tattoos belegen (und wir bekommen wirklich haufenweise Anfragen dazu) dann können wir nicht mehr wirtschaftlich arbeiten.

Viele Menschen glauben, dass die Krankenkassen oder der Staat uns Geld für diese Art der Aufklärung geben. Das ist nicht der Fall. Niemand entlohnt uns für diese Arbeit.

An dieser Stelle möchte ich auch darauf hinweisen, dass wir das Tattoo auch nicht gegen Geld stechen. Damit würden wir der Aktion nicht gerecht. Der Verein Junge Helden hat die Nutzungsrechte für eine kostenfreie Tätowierung freigegeben und daran sollte man sich halten.

Organspende zu bewerben ist nicht unsere Aufgabe

Zugegeben, der Punkt klingt vielleicht ein bisschen zickig und ich kann nicht leugnen, dass mich das Thema auch ein bisschen wütend macht.

Wir Tätowiererinnen und Tätowierer bekommen kein Geld für diese Tattoos.

Leider haben die Medien in ihrer massiven Berichterstattung über das Organspende Tattoo nicht klar dargestellt, dass alle teilnehmenden Tattoostudios dieses Tattoo ehrenamtlich tätowieren

Wir haben uns auch gegen die Teilnahme entschieden, weil der Gesetzgeber die Pflicht zur Aufklärung und Bewerbung der Organspende an die Krankenkassen gegeben hat.

Ich als selbstständige Inhaberin eines Tattoostudios bin freiwillig gesetzlich versichert. Meine monatlichen Beiträge als Kassenpatient belaufen sich auf fast 1000 Euro. Ich sehe es einfach nicht ein, mir auch noch Kosten im Rahmen einer solchen Tattoo-Werbeaktion aufzuladen und damit einer Aufgabe nachzukommen, die eigentlich meine sehr teure Krankenkasse übernehmen muss.

Wurdest du jemals von deiner Krankenkasse über das Organspendethema informiert?

Wir sagen „ganz oder gar nicht“ zu kostenlosen medizinischen Tattoos

Wenn wir Organspende Tattoos kostenfrei stechen, müssten wir andere medizinische Tattoos auch kostenfrei tätowieren. In unserem Arbeitsalltag stechen wir regelmäßig gut sichtbare Tattoos, die im medizinischen Notfall auf bestimmte Krankheiten hinweisen und so auch Leben retten können.

Dazu gehören Tattoos, die auf einen Typ Diabetes hinweisen, Tattoos für Menschen mit Blutgerinnungsstörung oder Hinweise darauf, dass jemand nicht in das MRT darf.

Würden wir uns für das kostenlose Organspendetattoo entscheiden, müssten wir der Fairness wegen auch alle anderen medizinischen Tattoos kostenlos stechen. 

Fazit zum kostenlosen Organspende Tattoo

Wir sind ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen von dessen Umsätzen inzwischen sieben Menschen ganz oder teilweise ihren Lebensunterhalt beziehen. Der mediale Hype um das kostenlose Tattoo ist groß und die Zahl der daraus resultierenden Kundenanfragen für uns überhaupt nicht kalkulierbar. Wir können nicht einschätzen, ob wir es uns leisten können, bei dieser Aktion mitzumachen. 

Deswegen habe ich mich dazu entschieden, dass die Teilnahme für uns ein Risiko bedeutet. 

Es ist meine Verantwortung, dass die Zeit, in der unsere Tätowiererinnen und die anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Buntspecht verbringen, bezahlt wird. Nur so können wir sicherstellen, dass wir auch morgen noch für eure Tattoowünsche da sind.

Trotzdem finden wir die Aktion gut und freuen uns, dass das Thema Organspende so zu deutlich mehr Aufmerksamkeit gekommen ist. Wir ziehen den Hut vor allen Studios, die mitmachen und die Organspende somit wirksamer bewerben, als es die Krankenkassen je für möglich gehalten haben.

Bei uns im Studio haben wir alternativ Organspendeausweise ausgelegt, die jeder mitnehmen und ausfüllen kann. Dadurch und durch die Teilnahme an der Diskussion in Form von Nachrichten, Instagramposts und diesem Blogartikel konnten auch wir dazu beitragen, dass das Thema in den Fokus gerät und viele Menschen sich mit der Entscheidungsbildung zur Organspende beschäftigen.

5 Kommentare

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Hallo liebes Team!
Ich wollte das Tattoo gar nicht kostenlos!
Und weil ich schon einmal bei euch war und sehr zufrieden , seid ihr auch meine erste Wahl gewesen.
Aber ich verstehe eure Beweggründe.
Liebe Grüße, Claudia

Hallo,

Ich verstehe eure Beweggründe völlig.
Allerdings muss ich anmerken, dass jemand der freiwillig gesetzlich versichert ist und monatlich 1000€ Krankenkassenbeitrag bezahlt sich auch eine sehr, sehr hohe Summe an Lohn aus dem Geschäft auszahlt ‍♀️ das ist eine persönliche Entscheidung, die jeder selbst trifft.
PS ich bin auch freiwillig in der gesetzlichen und weiß, was man bei 1000€ Beitrag monatlich entnimmt.

Hallo Ann, ich danke dir, dass du hier kommentierst, muss deine Aussage aber korrigieren. Wieviel Lohn ich mir selber auszahle, spielt bei der Berechnung meiner Krankenkassenbeiträge keine Rolle. Die Beiträge richten sich nach meinem Unternehmensgewinn. Wie viel vom Gewinn ich mir auszahle, hat keinen Einfluss auf die Berechnung der Beitragshöhe. Da ich Einzelunternehmerin bin, gibt es für mich keine Möglichkeit, Geld offiziell als Rücklage im Unternehmen zu belassen, sodass dieses Geld nicht auf Beiträge angerechnet wird. Dazu gehört nicht nur der Krankenkassenbeitrag, auch die private Steuer, Kita-Gebühren und andere Forderungen, die sich an der Höhe des Lohns bemessen. Das ist meiner Ansicht nach ein Fehler im System, da kleinen Unternehmen so die Bildung von Rücklagen erschwert wird. Einzelunternehmer, die verantwortungsvoll wirtschaften, würden sich nie den kompletten Gewinn auszahlen, werden vom Gesetzgeber jedoch so behandelt, als täten sie es…
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir gut beraten sind, hohe Rücklagen auf dem Geschäftskonto zu belassen (7,5 Monate Lockdown bspw.) offiziell ist es jedoch nicht möglich.
Liebe Grüße
Esther

Engstirnige Denke! Über das Organspendetattoo fand ich ein neues Studio, das das Basistattoo kostenlos anbietet. Verzierungen zahlt man, was wohl viele auch anfragen.
Ich wiederum habe dort nun bald meinen zweiten Termin. Das Organspendetattoo wird dann vielleicht beim dritten Besuch gemacht, wenn ich weiß, wie es ausgeschmückt werden soll.
Werbung für’s Studio gehr also anders. Oder seid Ihr bereits so satt?

Warum ärgert dich das so, Claude? Die Gründe für unsere „Engstirnigkeit“ habe ich im Artikel ausführlich dargelegt. Du hast ein tolles Studio gefunden, dann ist für dich doch alles prima gelaufen mit dem Organspendetattoo. Für uns läuft es auf unserem Weg auch gut. Wir sind nicht „satt“, wir gestalten unser Marketing einfach anders.

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