Schon länger gibt es in den sozialen Netzwerken rege Diskussionen darüber, ob und in wie weit Tätowierer ihre Fotos vor dem Hochladen bearbeiten sollten.
Bildbearbeitung im Wandel der Zeit
Als es die sozialen Netzwerke noch nicht gab und man als Kunde oder Tätowierer noch ausschließlich auf Zeitschriften angewiesen war, um neue Künstler zu entdecken, hatten die Magazine die Bearbeitungshoheit. Mein Kollege Eddi und ich saßen vor zehn Jahren oft im Studio und fragten uns „Wie zum Teufel bekommen die Tätowierer diese strahlenden Farben zustande?“
Zu meiner Ausbildungszeit hatten wir tatsächlich noch eine analoge Kamera mit Filmrolle im Laden, welche alle paar Wochen zum Entwickeln gebracht wurde Anschließend wurden die Fotos unbearbeitet ins Portfolioalbum geklebt. Nach weiteren zehn Jahren Studium im Bereich Illustration und Design weiß ich natürlich, dass schon damals bildbearbeitende Programme zu Einsatz kamen.
Heute muss man nicht mal mehr studiert haben, um seine Tattoofotos semiprofessionell bearbeiten zu können. Apps, wie Snapseed und Lightroom helfen auch Nicht-Fotografen zu intensiven und professionell wirkenden Fotos. Wer selbst diese simplen Bildbearbeitungsapps nicht bedienen kann, dem stehen immer noch eine Menge hilfreicher Filter in den Apps der sozialen Medien zur Verfügung.
Welche bildbearbeitenden Methoden stehen uns heute zur Verfügung
Brauchte man früher eine teure Photoshopsoftware auf dem Rechner und das dazugehörige Können, so reichen heute 1-2 Apps auf dem Smartphone, um geringfügige oder einschneidende Veränderungen im Foto zu erreichen.
Dazu gehören:
Lightroom,
Snapseed,
Moldiv und viele mehr.
Mit diesen können wir den Kontrast in den Farben Hochregeln, die Rötung der Haut retuschieren oder gar kleinere Fehler in den Linien ausbügeln. Wohlgemerkt: KÖNNEN, nicht sollten.
Natürlich kommt es uns auch zugute, dass es heute ausreicht, ein Smartphone neueren Modells und eine gute Lichtquelle zu benutzen, um ansprechende Fotos zu erstellen. Eine gute Softbox bekommt man heute schon für kleines Geld im Internet und auch ein schlichter oder gebrandeter Hintergrund ist rasch erstellt.
Sollten Tätowierer ihre Tattoofotos bearbeiten?
Ich finde ja! Das ist meine subjektive Einschätzung und ich respektiere jede gegenteilige Meinung. Jedoch denke ich, dass eine gewisse Art der Bearbeitung dem Kunden helfen kann, seine Kaufentscheidung zielführend zu treffen. Bei der angemessenen Bildbearbeitung geht es nicht darum, sein nicht vorhandenes Können mit Photoshop-Fähigkeiten auszugleichen. Vielmehr möchte ich meinem Follower einen realistischen Eindruck meiner Arbeit vermitteln. Mein Tattoofoto tut dies jedoch nicht, wenn es noch total geschwollen oder gerötet ist.
Die Farben können je nach Hautzustand nach dem Stechen getrübt wirken, die Intensität schattierter Bereiche kann viel zu dunkel erscheinen und viele Aspekte mehr. Mit meiner Bildbearbeitung möchte ich erreichen, ein Foto zu kreieren, welches dem realistischen Aussehen des Tattoos entspricht, nachdem es sich von der Tortur des Stechens erholt hat.
Als ich noch keine bildbearbeitenden Apps benutzt habe, bekam ich häufig Nachrichten oder Kommentare unter den Bildern, dass das Tattoo so gerötet aussieht – das tut doch sicher sehr weh? Indem ich die Rötung etwas herunter regle, schrecke ich meinen potentiellen Kunden nicht gleich ab, sondern vermittle den Eindruck eines fertigen Tattoo, dass nach dem Stechen 1-2 Stunden Zeit hatte, sich zu beruhigen.
Welche Methoden der Bildbearbeitung benutze ich?
Wie schon geschrieben, gebe ich hier nur meine persönliche Meinung wieder. Absolut legitim und nicht verbrauchertäuschend finde ich folgende Arten der Bildbearbeitung beim frischen Tattoo:
- Rausfiltern einer starken Rötung nach dem Stechen
- Bildaufhellung, wenn man im Studio keine natürliche Lichtquelle hat.
- Hervorheben weißer Highlights, die nach dem Stechen manchmal gar nicht sichtbar sind.
- Intensivieren von grünen Bereichen, da diese oft von der Hautrötung geschluckt werden (Stichwort Komplementärkontrast)
- Einen Fokuseffekt setzen, bzw. Tiefenunschärfe erzeugen, wenn man einen unruhigen Hintergrund hat, zum Beispiel auf Conventions.
- Den Kontrast leicht erhöhen, wenn man das Foto versehentlich zu stark belichtet hat.
Für diese Methoden benutze ich ausschließlich Snapseed. Eine nachträgliche Bearbeitung in Photoshop ist mir zu aufwendig. Für die oben angesprochenen Veränderungen reichen kostenfreie Smartphone Apps aus.
Übertrieben oder irreführende Arten der Bildbearbeitung
Auf Instagram kursieren inzwischen nicht mehr nur stark bearbeitete Tattoos. Manche Seiten generieren Reichweite und Likes indem sie Bilder hochladen, die gar keine echten Tattoos, sondern Fotomontagen zeigen, bei denen Fotos auf Körperteile retouchiert wurden. Beim oberflächlichen Scrollen ist der Nutzer begeistert von der Qualität der vermeintlichen Tätowierung und gibt dem Bild ein Like. Erst, wenn man in der Caption nach unten scrollt, fällt auf, dass irgendwo in einem Nebensatz erwähnt wird, dass es sich um eine „Idee“ oder ein „Konzept“ für eine Tätowierung handelt.
Frisches Tattoo vs. abgeheiltes Tattoo
Bisher habe ich nur über die Bildbearbeitung bei frischen Tätowierungen direkt nach dem Stechen gesprochen. Wie verhält es sich mit Bildern von bereits abgeheilten Tätowierungen?
Hier würde ich nur Faktoren bearbeiten, die auf eine ungünstige Fotosituation zurück zu führen sind.
Wenn beispielsweise mein Licht im Studio nicht ausreicht, um die die Tätowierung gut zu zeigen, kann man an der Belichtung nachträglich arbeiten. Außerdem kann die Bildbearbeitung genutzt werden, um die eigene Bildsprache zu intensivieren und einen gebrandeten Feed zu erstellen.
Ein nachträgliches Begradigen von Linien oder Ausfüllen von schlecht verheilten Farbflächen ist natürlich ein No-Go. Genauso verhält es sich mit dem nachträglichen Einfügen unrealistischer weißer Highlights oder Flächen.
Manchmal bearbeite ich auf Kundenwunsch auch die Haut des Kunden oder der Kundin. Manche schämen sich wegen Cellulitis oder anderer Hautveränderungen. Trotzdem sehen sie ihr Tattoofoto gern in meinem öffentlichen Portfolio. In diesem Falle biete ich an, die an das Tattoo angrenzenden Hautareale ein bisschen zu optimieren. Natürlich gibt es auch Kunden, die das nicht wünschen. Ich finde, dass die Entscheidungshoheit dazu beim Kunden liegen muss.
Bildbearbeitung als Form des Marken-Brandings
Ein weiterer Aspekt, der für die Bildbearbeitung spricht ist der des Brandings. Durch sich immer wiederholende Bildsprachen fördert der Tätowierer den Wiedererkennungswert seiner Marke oder seines Unternehmens.
Manche schmücken jedes Foto mit digitalen Elementen, wie Sternenstaub oder Lichtreflektionspunkten. Andere vereinheitlichen den Hintergrund des Fotos. Auch Fotos mit wiederkehrenden Blumen oder Zweigen rund um das Tattoo setzen ein Erkennungsmerkmal.
Egal, ob du als Tätowierer oder als Privatperson auf Instagram oder anderen Plattformen unterwegs bist, mit einem einheitlichen Filter über denen Bildern, schaffst du einen Wiedererkennungswert für deine Follower und formst den Stil deiner Onlinepräsenz bzw. deiner Marke.
Was denkst du zum Thema Bildbearbeitung bei Tattoofotos? Stimmst du mit meinen Ansichten überein oder stehen dir nach dem Lesen dieses Artikels die Haare zu Berge, weil du Fotobearbeitung nicht in Ordnung findest? Deine Meinung interessiert mich, hier in den Kommentaren oder per Mail!
1 Kommentar
Kommentieren →Ich finde es auch in Ordnung, so lange man wirklich keine Linien etc. verändert. Mich würde interessieren, wie genau man die Bilder mit snapseed etc. bearbeitet damit keine Rötungen zu sehen sind und das tattoo mehr zur Geltung kommt von den Farben her