Wie du mit Facebook und Instagram erfolgreich dein Business zerstörst

Zugegeben, der Artikel hier ist ein bisschen „Offtopic“, also er hat nur am Rande etwas mit dem Tätowieren zu tun. Trotzdem ist es ein brandaktuelles Thema, welches Tätowierer, Inhaber von Tattoostudios und vor allem Tätowierer, die „on the road“ arbeiten stark betrifft. Es geht um die neuen Algorithmen von Facebook und Instagram.

Facebook wird „persönlicher“

Auch wenn du selbst kein Tätowierer bist, hast du vielleicht die Facebookwerbung gesehen, in der Facebook erklärt, dass es ab sofort persönlicher werden will. Facebook hat über alle möglichen Werbeplattformen mitgeteilt, dass es jetzt stärker Beiträge von Freunden im Feed zeigen will. Beiträge von Firmen und Unternehmen, die du abonniert hast, wirst du also weniger zu sehen bekommen.

Bye bye Timeline

Leider heißt das im Umkehrschluss nicht, dass wir weniger Werbung auf Facebook sehen, es heißt lediglich, dass Beiträge, die dein Lieblingstätowierer postet oder die Frau, die die niedlichen Hundehalsbänder näht und der du folgst, seltener in deiner Timeline auftauchen.
Das Wort „Timeline“ ist seiner schon längst nicht mehr würdig. Ich würde sagen, seit dem die Beiträge nicht mehr chronologisch ausgespielt werden. Für die, die es noch nicht bemerkt haben: Facebook und Instagram bestimmen neuerdings selbst, welche Beiträge dir angezeigt werden und in welcher Reihenfolge.

Facebook und Instagram entscheiden, was für dich Priorität hat, was dich interessiert.

Deswegen nenne ich die Timeline im Folgenden „Feed“. Das englische Wort „Feed“ heißt zu Deutsch übersetzt „Futter“. Es ist der Inhalt, mit dem der Konsument der Sozialen Netzwerke gefüttert wird. Und welches Futter am besten schmeckt, entscheiden FB und Insta gefühlt jede Woche nach anderen Kriterien.

So viel Inhalt „for free“

Instagram und Facebook sind die sozialen Netzwerke, die in den vergangenen fünf Jahren am stärksten gewachsen sind und somit die meisten Mitglieder haben. Jahrelang haben wir uns alle dort angemeldet und die Netzwerke fleißig mit Leben und Inhalt gefüttert. Mit unseren Beiträgen und Fotos gaben wir auch unsere Daten leichten Herzens preis. Warum auch nicht – hat hier jemand etwas zu verbergen? Dieser Satz treibt mich zugegebenermaßen seit neustem auf die Palme. Natürlich hat der normalsterbliche Durchschnittsbürger nichts zu verbergen und keine Geheimnisse, die das FBI oder den Staatsschutz interessieren würde. Alles, was FB und Insta interessiert, sind seine Interessen und Vorlieben.

ich habe nichts zu verbergen

Bis vor wenigen Monaten hat niemand geahnt, was die sozialen Netzwerke mit so vielen Gefällt-Mir-Angaben und ausführlicher Darstellung der eigenen Interessen in liebevoll angelegten Profilen vor hat. Wahrscheinlich sind sie einfach nur nett und wollen uns eine prima Plattform zum Finden und zum Austauschen von und mit Freunden kostenlos zur Verfügung stellen – toll!
Und plötzlich wollen sie auch die Freunde wieder mehr in den Mittelpunkt rücken und deren Beiträge weiter oben und häufiger zeigen, als die von „den Anderen“. Das ist ja nett!
Wirklich? Denn Facebook und Instagram haben in den vergangenen Jahren nicht nur Privatkunden auf ihre Plattformen gelockt.

Die dunkle Seite des Unternehmenskontos
Wer braucht heute noch eine Homepage?

Massen an Firmen, Privatunternehmen, Kleinselbstständiger und Neugründer verließen sich blind auf die enorme Reichweite der sozialen Netzwerke. Viele Selbstständige, mich eingeschlossen, haben seit ihrer Unternehmensgründung keine andere Werbeplattform mehr bedient.
Wie oft habe ich Tätowiererkollegen belächelt, die noch Flyer druckten oder teure Anzeigen in Tätowierzeitschriften schalteten. Wozu der Aufwand, wenn man auf Facebook tausende Menschen in der Nähe umsonst vom Schreibtisch aus erreicht? Jahrelang ging alles gut. Facebook und Instagram boten Selbstständigen bald die Erstellung eines Unternehmenskontos an, bei dem man Einsicht in seine Reichweite hat und seine privaten Inhalte schön vom Geschäftlichen trennen kann.

Ein Post von mir auf Facebook über meine Unternehmensseite erreichte im Schnitt 2500-3000 Menschen.

Facebook damals
Anfang 2017 erreichte ich mit meinen Posts knapp 3000 Menschen

Ich konnte mich vor Aufträgen, Gefällt-mir-Angaben und Kommentaren nicht retten. Häufig habe ich es sogar vermieden ein Foto hochzuladen, weil ich am Ende des Tages keine Kraft mehr hatte, noch zig Kommentare unter dem Beitrag zu beantworten.
Viele gingen gar so weit, gar keine eigene Homepage zu erstellen. Wozu der Aufwand, wenn ich doch alle Kunden über Facebook und Instagram erreiche? Wer braucht schon noch eine eigene Homepage auf der die Kunden sich erst zurechtfinden und die sie vor allem erst mal finden müssen? Auf Facebook und Instagram ist das alles viel schneller erledigt.

Der Tag, an dem der Algorithmus kam

Und dann kam Tag Zero. Der Tag, an dem Facebook und Instagram entschieden, die Beiträge persönlicher zu gestalten und Beiträge von Unternehmen hinten an zu stellen.
Vielleicht übertreibe ich, aber in meiner Wahrnehmung ist seit dem das Chaos ausgebrochen.
Ich kann die Instastories nicht mehr zählen, in denen Tätowiererkollegen und andere Blogger aus den unterschiedlichsten Fachbereichen sich über den neuen Algorithmus beschweren.
Jahrelang lockten Facebook und Instagram uns mit übersichtlichen Unternehmenskonten auf denen wir die Anzahl der Personen einsehen konnten, die unseren Beitrag gesehen oder mit diesem interagiert haben. Und wie viele trauten ihren Augen nicht mehr, als die neuen Zahlen öffentlich wurden und die Anzahl der Likes in den Keller ging.

Für mich bedeutet das, dass mein Beitrag auf Facebook nicht mehr von 2500-3000 Personen gesehen wird, sondern nur noch von maximal 800…

Facebook zeigt selbst den Leuten meinen Beitrag nicht an, die meine Seite geliked und abonniert haben. Die bekommen jetzt eher die Katzenvideos der Freunde ausgespielt, das Mittagessen der Schwiegermutter oder den verschneiten Garten der Gruppenkollegen aus „Du bist Kleinstädter, wenn…“

Ein aktueller Beitrag von mir
Gasttätowierer leiden stark unter dem neuen Algorithmus…

Besonders hart trifft dieser Umstand Tätowierer, die „on the road“ arbeiten. Guestspot-Tätowierer ohne eigenes Studio, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen von einem Tattoostudio zum nächsten zu reisen und dort ihre Bilder unter die Haut zu bringen. Diese Tätowierer haben keinen lokalen Kundenstamm, sie sind darauf angewiesen, dass potenzielle Kunden ihre Beiträge sehen, dass sie an Tag X in Stadt Y tätowieren. Wenn dieser Post jedoch nicht gezeigt wird oder erst eine Woche später, wenn der Besuch schon gelaufen ist, bricht ihnen die Basis unterm Hintern weg…
Aus lauter Verzweiflung legten viele sich neue Accounts an, die nicht mehr aus Business-Basis, sondern als Privataccount liefen und fingen von der Follower-Zahl wieder bei Null an. Ich hörte sogar schon von Bloggern, die ihre Accounts komplett still legten, weil ihr Wachstum sich negierte und sie nur noch Follower verloren, anstatt hinzu zu gewinnen.

…ebenso die Blogger

Auch Blogger aus den verschiedensten Themenbereichen sind vom neuen Algorithmus gestraft. Blogger leben von einer großen Reichweite. Nur eine hohe Anzahl von Follower und Likes sichern ihnen Aufträge von Firmen und somit den Lebensunterhalt. Wenn diese Basis nicht mehr gegeben ist, entziehen die sozialen Netzwerke ihnen die Grundlage ihres Berufes.

Traurige Statistik
Die Universallösung

Aber Facebook und Instagram wären nicht die Kinder Mark Zuckerbergs, wenn sie nicht eine Universallösung für diese Probleme anzubieten hätten. In jedem zweiten Beitrag, den ich poste, werde ich darauf hingewiesen, dass ein mit Geld beworbener Beitrag eine viel höhere Reichweite garantieren würde. Im Januar habe ich es erstmals auf Instagram getestet. Ein Beitrag beworben mit 30 Euro Werbebudget über sieben Tage Laufzeit. Mein Beitrag verwandelte sich also in eine dieser supernervigen Werbeanzeigen, die in jedem 7. oder 8. Beitrag eures Feeds aus Instagram erscheinen. Am Ende der Woche hatten 11.000 Menschen in meinem Umkreis den Beitrag gesehen und ich hatte 300 neue Follower auf Instagram. Es funktioniert also. Ich hatte in dieser Zeit ein Wachstum von 35% auf Instagram, was enorm ist. Mittlerweile ist es jedoch wieder stagniert, ebenso wie auf Facebook.

Werbung, die ich nicht sehen will und die den Platz von Lieblingskünstlern einnimmt, die ich abonniert habe
Schluss mit kostenloser Reichweite

Wir alle, die sich in den letzten Jahren nur auf Facebook und Instagram als einzige und kostenlose Werbeplattform verlassen haben, sind ins offene Messer gelaufen. Jetzt packen uns die sozialen Netzwerke am Kragen und quetschen uns aus, wie Zitronen. Und warum? Weil sie es können, weil wir die Reichweite brauchen, weil wir uns jahrelang darauf verlassen haben, dass es ewig so weiter geht mit der kostenlosen Werbung.

Ist das denn ein Verbrechen?
Macht euch wieder unabhängig von Facebook und Instagram

Ich will jetzt nicht jammern, dass ich nach zehn Jahren Selbstständigkeit zum ersten Mal Geld für Werbung investieren muss. Ich möchte euch wachrütteln und euch klar machen, was da eigentlich hinter den Kulissen passiert ist. Findet ihr es nicht auch unglaublich, dass die sozialen Netzwerke uns so vereinnahmt haben und sich in unserem Leben so wichtig gemacht haben, dass viele es nicht mal für nötig hielten, eine eigene Homepage zu erstellen?

Eine Homepage ist die Basis, das virtuelle Zuhause der eigenen Firma – viele haben darauf verzichtet, weil sie glaubten, dass Facebook reicht!

Heute im Jahr 2018 eine eigene Homepage neu aufzuziehen ist ebenfalls alles andere als einfach. Vor fünf Jahren, als ich meine erste Homepage baute und online stellte, dauerte es zwei Tage, bis sie bei den Stichworten „Buntspecht“ und „Tattoo“ auf Seite eins bei Google auftauchte. Heute muss sich der Selbstständige erstmal mit Begriffen wie „SEO“, „Rich Pins“ und Google Analytics vertraut machen, um seine Homepage auf die ersten Seiten zu pushen (oder eben auch für einen Logenplatz auf Google bezahlen).

Wie empfinden Privatnutzer das neue Facebook und Instagram?

Doch nicht nur die Unternehmerkunden sind von Facebook und Instagram genervt und enttäuscht. Immer mehr Privatleute nutzen Facebook nicht mehr oder melden sich ab, weil sie von der Auswahl der Beiträge genervt sind. Man hat bestimmte Unternehmensseiten ja nicht umsonst abonniert, man möchte sehen, was der Lieblingstattookünstler macht. Auch Nachrichtenseiten werden weniger gezeigt. Ganz ehrlich: mich interessieren die neusten Blitzerwarnungen meines lokalen Radiosenders doch etwas mehr, als die 500. Zimmerpflanze der ehemaligen Klassenkameradin… Und wenn Facebook mir nur noch Beiträge von Freunden zeigt, muss ich leider sagen: interessiert mich nicht.

Mich interessiert das Privatleben meiner Facebookfreunde nicht! Warum? Weil ich damit kein Geld verdienen kann und weil ich daraus meistens nichts lernen oder für mich mitnehmen kann!

Mich interessieren andere Künstler, Illustratoren, Fotografen, Tänzerinnen, lokale Nachrichten und alle Leute, die ich abonniert habe, weil sie einen Inhalt mit Mehrwert für andere erstellen. Ich habe nichts davon, wenn ich die Haustiere meiner Freunde in einem wackeligen Handyvideo sehe! Ganz im Gegensatz zu Facebook selbst. Wer immer noch denkt, dass seine Daten im Internet nichts wert seien, über den kann ich nur den Kopf schütteln. Facebook und Instagram scheffeln mittlerweile Milliarden mit euren Gefällt-Mir-Angaben und Interessen, weil wir jetzt dafür bezahlen müssen, dass euch das angezeigt wird, was euch wirklich interessiert. Eure Daten sind die Grundlage ihres Erfolgs und ihr seht nichts davon! Außer immer mehr bezahlter Werbung von Unternehmen, die ihr nicht abonniert habt!

Wen interessiert so ein Beitrag?
Verlasst das sinkende Schiff

Puh, jetzt bin ich beim Schreiben wieder ganz schön wütend geworden, aber ich denke, die Botschaft ist klar geworden. ich kann nur an alle selbstständigen Tätowierer und andere Künstler appellieren: verlasst das sinkende Schiff, bevor es zu spät ist. Baut euch tolle Websites und bewerbt euer Business auf anderen Plattformen. Macht vielleicht auch einen Blog, der euch Traffic auf eure Homepage bringt oder setzt euch mit Pinterest und Vero auseinander. Meinetwegen klebt wieder Sticker eures Shops auf Straßenlaternen, aber verinnerlicht, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man sich voll und ganz auf Facebook und Instagram verlassen konnte…

Ein neues Netzwerk namens Vero
Vero – ein neuer Social Media Hype oder eine echte Alternative?

Vielleicht wird ja auch die neue Social Media Plattform Vero das neue große Ding und löst Facebook und vor allem Instagram ab? Gibt man heute Vero als Hashtag auf Instagram ein, ist die Beitragsseite voll mit Fotos, auf denen Nutzer ankündigen, ihre Tätigkeiten auf Vero zu verlagern. Vero soll angeblich kostenlos und werbefrei bleiben und Beiträge ausschließlich chronologisch anzeigen. Das vermissen die meisten Nutzer von Instagram schon lange…
Egal, was ihr macht, bleibt wachsam und legt die Zukunft eures Unternehmens nicht nur in die Hände einer einzigen Plattform. Ich wünsche euch weiterhin gute Geschäfte und schreibt gerne in den Kommentaren, wie ihr den neuen Algorithmus erlebt habt.

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