Seit einigen Monaten habe ich eine Assistentin, die mich bei den Büroarbeiten unterstützt. Zu ihren Aufgaben gehört in erster Linie das Beantworten von Kunden-Emails und Nachrichten über Facebook. Auch, wenn während des Tätowieren ein Kunde für eine Beratung in den Laden kommt, kann Jenny schon einspringen und erste Erörterungen zum Tattoowunsch des Kunden vornehmen.
Es dauerte nicht lange, bis Jenny bei gewissen Sätzen schon schmunzeln oder sogar den Raum verlassen musste, um sich ihre Belustigung nicht anmerken zu lassen.
Jenny weiß inzwischen genau, auf welche Sätze man als Tätowierer allergisch reagiert. Die Tatsache, dass diese Sätze in regelmäßigen Abständen immer wieder im Laden fallen, amüsiert uns mittlerweile mehr, als dass sie mich ärgern.
Ich habe die Top 12 für euch zusammen gefasst. Wahrscheinlich ist den Kunden gar nicht bewusst, dass gewisse Äußerungen provozierend oder anstrengend auf ihren Tätowierer wirken können. Deswegen kann ich hier vielleicht den Einen oder Anderen ein bisschen sensibilisieren oder zumindest für Erheiterung sorgen. Natürlich ist dieser Artikel mit einem gewissen Augenzwinkern zu verstehen.
„Als Selbstständiger kannst du ja voll viel schwarz nebenbei machen.“
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wer fühlt sich gut dabei, wenn ihm Steuerbetrug oder andere Straftaten unterstellt werden? Auch wage ich zu bezweifeln, ob Kunden (oder in diesem Fall auch Bekannte und Freunde), die diesen sehr häufigen Satz von sich geben wissen, wie kompliziert und gefährlich es in der Praxis ist, Geld am Fiskus vorbei zu schleusen.
„Kommt nach mir noch ein Kunde? Dann hast du jetzt schon Feierabend!“
Ich kann nicht nachvollziehen, warum es interessant ist, zu wissen, ob nach Kunde A noch ein Kunde B aufschlägt. Was mich jedoch ärgert, ist der Satz: „Dann hast du ja jetzt schon Feierabend.“ Das jetzt schon impliziert, dass man nach Ansicht des Kunden verhältnismäßig wenig arbeitet. Nach einer sehr intensiven und anstrengenden Tattoositzung über mehrere Stunden kann dieser Satz den Tätowierer hart treffen. Im Fernsehen geht der Tätowierer nach dem Stechen mit dem Kunden Angeln am See, im echten Leben warten nach fünf oder sechs Stunden Tätowieren noch die Reinigungsarbeiten, Buchhaltung und Emailbeantwortung auf den Tätowierer.
„Wie viele Tattoo stichst du pro Woche?“
„Möchtest du meinen Wochenumsatz berechnen?“ Anders kann ich mir die Frage nicht erklären…
„Ich kann nur sonntags.“
Dieser Satz ist ein Klassiker in den Kunden-Emails. Es gibt tatsächlich immer wieder Kunden, die aus beruflichen Gründen nur sonntags Zeit für einen Tattootermin haben und nicht verstehen, warum der Tätowierer nicht bereit ist, seinen freien Tag zu opfern. Ein Hinweis an dieser Stelle: auch Tätowierer sind an das Ladenöffnungsgesetz gebunden, dass das Arbeiten an Sonn- und Feiertagen verbietet.
„Ich habe ganz genaue Vorstellungen von meinem Tattoo und werde von diesen nicht abrücken.“
Dieser Satz tötet schon vor Arbeitsbeginn jede Kreativität und jeden Entfaltungsspielraum für den Tätowierer.
„Die Vorlage geht schon in die richtige Richtung, aber könntest du es ein bisschen mehr in dem Stil von Tätowierer XY zeichnen?“
Tätowierer XY hatte vermutlich keine Termine mehr frei, die Anreise ist zu lang oder er ist zu teuer. Jedoch ist ein Tätowierer nicht nur ein Dienstleister, sondern auch ein kreativ arbeitender Mensch mit einem eigenen Stil. Es ist so gut wie unmöglich, den Stil eines anderen in gleicher Qualität nachzuahmen. Außerdem macht man es nicht. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, nicht die Bilder anderer nachzuahmen und ein geschriebenes Gesetz namens Urheberrecht, dass man keine Bilder 1:1 übernehmen darf.
„Ich mag deine Neotraditional-Tattoos voll gern, du machst so tolle Sachen, würdest du mir ein Watercolor-Tattoo ohne Outlines auf den Oberarm stechen?“
Vielleicht schmunzelst du beim Lesen, aber solche Anfragen gibt es wirklich. Manche Kunden suchen sich den Tätowierer nicht nach dem passenden Stil aus, sodass die Arbeitsweise perfekt zu ihrem Motivwunsch passen würde. Sie schauen, welcher Tätowierer ihrer Einschätzung nach ein ansprechendes Profil auf den Social Media Kanälen unterhält und ihnen sympathisch erscheint. Ob der Stil zu ihrem Wunsch passt, spielt für sie keine Rolle.
„Oh ein neues iPad/Auto/Whatever – davon hab ich bestimmt 2/3 finanziert, oder?“
Ja, solche Sätze fallen tatsächlich. Ob der Tätowierer sie lustig findet oder nicht, hängt sicher von der Betonung ab. Sie implizieren jedoch auch, dass der Tätowierer teuer ist oder der Kunde glaubt, überdurchschnittlich viel Geld im Studio gelassen zu haben.
„Ich brauche das Tattoo unbedingt noch diesen Monat.“
Eine lebenswichtige Operation braucht man noch diesen Monat oder eine gültige Monatsfahrkarte oder den Monatslohn. Eine Tätowierung kann niemals zeitlich dringend sein und kein Tätowierer möchte sich gern unter Zeitdruck setzen lassen.
„Kannst du mir einen Entwurf schicken und dann entscheide ich, ob ich von dir tätowiert werden möchte?“
Nein.
„Ich zeige dir mal, was du mir im März tätowierst.“
Zur Ausgangssituation: Es ist November, ein Kunde ist da und ich tätowiere ihm den Arm. Wir machen eine kurze Pause, der Kunde holt sein Handy raus und dann fällt dieser Satz. Wäre die Aussage anders formuliert, würde sie mich sogar freuen. Wie wäre es beim nächsten Mal mit: „Mein nächstes Tattoo plane ich für das Frühjahr. Wenn du zum Beispiel im März noch Termine hast, würde ich mir gerne dieses Bild von dir tätowieren lassen. Käme das Projekt für dich in Frage?“
„Deinen Stundenlohn möchte ich haben!“
Das ist der schlimmste Satz überhaupt! Kein Kunde kann wissen, welchen Stundenlohn sein Tätowierer sich auszahlt. Wenn 100 Euro pro Stunde für das Tätowieren berechnet werden, ist das nicht der Stundenlohn! Erst nach Abzug aller Unkosten für Material, Tattoostudio, Unternehmenssteuer usw. ergibt sich der Bruttolohn, der, wie bei jedem Arbeitnehmer, noch durch Einkommenssteuer, Krankenkassenbeiträge usw. auf den Nettolohn geschmälert wird.
Vielleicht erscheint dir die eine oder andere Reaktion meinerseits auf diese Sätze überzogen, vielleicht wunderst du dich aber auch darüber, was manche Kunden sagen, wenn sie im Tattoostudio sind. Wenn du auch Tätowierer bist, hast du dich vielleicht wieder erkannt. So oder so möchte ich mit diesem Artikel niemanden kränken, sondern hoffe, für ein bisschen Unterhaltung gesorgt zu haben.
Sicherlich habe ich auch nicht alle Sätze erwähnt. Die Tätowierer unter uns können diese Liste sicher endlos ergänzen. Wenn dir noch etwas einfällt, dich eine Schilderung geärgert oder besonders amüsiert hat, schreibe es gern in die Kommentare!
2 Kommentare
Kommentieren →[…] Artikel zu den 12 Sätzen, die ein Tätowierer nicht hören möchte, stieß auf großes Echo bei meinen Kundinnen und Kunden. Viele sprachen mich darauf an, manche mit […]
Find ich super! Danke, dass du es so schön auf den Punkt bringst!