Seit einigen Jahren beobachten wir, dass der Altersdurchschnitt von Menschen, die sich bei uns ihr erstes Tattoo stechen lassen, steigt.
Nicht alle Tattoo-Interessierte, die zu uns kommen, gehen uneingeschränkt selbstbewusst an ihr Vorhaben. So hören wir immer häufiger den Satz:
„Ich bin mir unsicher, ob ich zu alt für ein Tattoo bin.“.
Viele Kundinnen und Kunden im fortgeschrittenen Alter denken, dass es für uns ungewöhnlich ist, Menschen in der zweiten Lebenshälfte zu tätowieren. Daher der Artikel und ein Spoiler: es ist nicht ungewöhnlich, spät mit dem Tätowieren anzufangen und bei genauerem Hinsehen, erkennt man sogar einige Vorteile.
Wie alt ist der Durchschnittskunde bei seinem ersten Tattoo?
Zu dieser Frage habe ich leider nur eine wenig repräsentative Umfrage von 2017 gefunden. 330 Personen haben teilgenommen und der Durchschnitt für das erste Tattoo lag bei 25 Jahren.
Ich denke, dass diese Zahlen sich nicht auf heute, 2023, betragen lassen. Die Tattooindustrie wächst und ändert sich seit Jahren rasant. Die Popularität und die Anerkennung in der Gesellschaft nimmt jährlich stark zu.
In der Umfrage war auch niemand jenseits der 60 Jahre dabei, was unseren eigenen Erfahrungen deutlich entgegen steht.
Wie alt sind die Kundinnen und Kunden bei Zum Buntspecht Tätowierungen?
Unsere Kundschaft altert mit uns mit 😀
In den letzten Jahren konnten wir beobachten, dass die Zahl der Menschen, die älter als 50 Jahre alt sind, stetig wächst. Dafür haben wir deutlich weniger sehr junges Publikum. Die Anfragen nach Tattoos für Minderjährige (die wir im Übrigen ablehnen) und auch für Menschen unter 20 Jahren, geht merklich zurück.
Ich kann nicht sagen, ob der Trend bei Zum Buntspecht Tätowierungen auf alle Studios in Deutschland übertragbar ist. Es kann auch an unserer Art der Außenwirkung und des Marketings liegen, von dem sich eventuell eher ältere Kundinnen und Kunden ab 30 Jahren angesprochen fühlen.
Auch kann ich nicht ausschließen, dass unser eigenes unerbittlich fortschreitendes Alter uns von den Trends und dem Coolnessfaktor der nächsten Generation entfernt und wir dadurch weniger sehr junges Publikum anlocken.
Wir finden es inzwischen völlig normal, Menschen über 50 und auch über 60 Jahre zu tätowieren. Für uns ist das absolut nichts ungewöhnliches. Auch die Kundschaft jenseits der 70 Jahre nimmt langsam, aber stetig zu.
Besonders freuen mich persönlich immer die Wiedereinsteiger. Ich tätowiere häufig Kundinnen und Kunden, die in ihren Zwanzigern ein paar Tattoos bekommen haben und danach eine oft jahrzehntelange Pause hatten.
Manche mögen ihre alten Tattoos noch, andere finden die alten Tattoos seit vielen Jahren unansehnlich und finden im fortgeschrittenen Alter endlich die Zeit für ein Cover Up oder Touch up.
Wiedereinsteiger sind oft interessiert an neuen Trends, die „früher“ rein technisch gar nicht umsetzbar waren. Viele hatten aufgrund ihrer Karriere oder Familienplanung lange Pausen und sind völlig überrascht und sehr interessiert, was sich in ihrer „Tattoopause“ in den Tattoostudios alles verändert hat.
Ist die Haut irgendwann zu alt oder zu faltig für Tätowierungen?
Jede Haut altert anders. Es lässt sich also nicht pauschal sagen, dass Haut ab einem bestimmten Alter zu faltig oder zu alt ist.
Sind Falten ein Problem?
Ich würde nicht sagen, dass man auf Falten nicht tätowieren kann. Falten können auch junge Menschen haben, beispielsweise nach Gewichtsabnahmen. Die allermeisten Menschen haben in jedem Alter noch genug Körperstellen, die sich unabhängig von der eigenen Falten-Neigung zum Tätowieren eignen.
Im besten Fall klärt man individuell mit seinem Tätowierer oder der Tätowieren, welches Motiv sich auf welcher Körperstelle gut eignet.
Falten sind übrigens nicht die einzige „Schwierigkeit“, an die gute Tätowierer und Tätowiererinnen gewöhnt sind. Orangenhaut, Erdbeerhaut, Narben und Dehnungsstreifen stellen ebenfalls Störungen einer bestenfalls ebenen Fläche dar, die wir im Alltag bewältigen müssen.
Thema Muttermale
Problematischer ist bei alter Haut die Anzahl von Pigmentflecken beziehungsweise Muttermalen. Muttermale und Leberflecken nehmen im Laufe der Jahre zu. Über diese dürfen wir nicht tätowieren. Hat ein Mensch übers Leben viele Muttermale bekommen, kann es zu Schwierigkeiten in der Platzierung großflächiger Tätowierungen führen.
Außerdem ist es für die Hautkrebsvorsorge unabdingbar, dass der Hautarzt alle Muttermale gut erkennen kann und diese nicht von Tätowierungen überdeckt werden.
Winke-Arme
Oft wünschen vor allem Frauen sich schlichte Tattoos an den Armen und gern am Oberarm innen. Viele machen sich Sorgen über ihre sogenannten „Winke-Arme“, womit man die hängende Haut bezeichnet, die nach dem Winken mit der Hand noch einige Sekunden weiter wackelt und „winkt“. Ich kann euch beruhigen: Winke-Arme sind niemals ein Hinderungsgrund für eine neue Tätowierung.
Krampfadern
Sichtbare blaue Adern, die meist an den Beinen auftreten, können einen Hinderungsgrund für Tätowierungen darstellen. Ich rate jedem Kunden, vorab mit dem behandelnden Hausarzt oder einem Facharzt zu bestimmen, um welche Art sichtbarer Adern es sich handelt. Besenreisser sind häufig kein Problem beim Tätowieren. Stark ausgeprägte Krampfadern, die ganz nah unter der Hautoberfläche liegen, würde ich nicht tätowieren. Defekte Venen, die viel Blut angestaut haben, sind häufig schmerzempfindlich und auch das Verletzungsrisiko der Venen ist sehr groß.
Darum bist du nicht zu alt für ein Tattoo
Viele von euch haben sich sicher in der Auflistung der potentiellen Bedenken gegenüber Tattoos im Alter wiedergefunden.
Der viel spannendere Teil ist die Auflistung der Argumente, die für ein Tattoo auf gealterter Haut sprechen.
Das Tattoo altert nicht so stark
Hä, das klingt unlogisch oder? Im Gegenteil. Vielleicht ist deine Haut schon alt, dein Tattoo ist es nach dem Stechen nicht. Wenn du dich mit 70 Jahren tätowieren lässt, hat dein Tattoo eine viel kürzere Lebenserwartung, als wenn du dich mit 20 Jahren tätowieren lässt.
Es klingt ein bisschen makaber, trotzdem finde ich das Argument gut. Grade, wenn es um sehr feine Tätowierungen geht oder solche mit ganz vielen differenzierten Schattierungen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es nach 50 Jahren nicht mehr ganz so gut aussieht. Wenn du schon 70 Jahre alt bist am Tag des Stechens, wird dein Tattoo auch mit ganz viel Glück keine weiteren 50 Jahre mit dir leben.
UV-Schutz
Ja, ich weiß, dass ich viele mit diesem alten Schuh nerve. UV-Schutz ist meiner Ansicht nach jedoch einer der wichtigsten Faktoren in Bezug auf den Alterungsprozess der Haut und unserer Tätowierungen. Das Thema kann nicht oft genug betont werden.
Erfahrungsgemäß nehmen ältere Menschen den UV-Schutz ernster, sie vertragen auch Hitze und direkte Sonneneinstrahlung nicht mehr so gut und halten sich gern im Schatten auf. Das sind ideale Vorraussetzungen für eine frische Tätowierung, die lange Spaß machen soll.
In dem Zusammenhang kann man auch noch erwähnen, dass Menschen, je älter sie werden, sich weniger freizügig kleiden. Auch dieser Umstand kommt Tätowierungen zugute.
Der gefestigte Charakter
… ist ein absolutes Top-Argument, mit der Entscheidung für eine Tätowierung auf die zweite Lebenshälfte zu warten. Beim Tätowieren unterhalte ich meine Kunden gern mit Anekdoten aus meinen 20gern und welche Tattoowünsche ich mir damals (zum Glück) mangels Geld nicht erfüllen konnte.
Bis ungefähr 22-23 Jahre, hatte ich keinen eindeutigen Stil oder Geschmack und das trifft auch auf viele andere junge Menschen zu. Es kommt immer häufiger vor, dass ich Tattoos covern muss, die ich selbst vor zehn oder mehr Jahren tätowiert habe, weil sich der Geschmack und der Stil meiner inzwischen deutlich gereiften Stammkundschaft verändert hat.
Je älter ein Kunde ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie oder er die Entscheidung für ein Tattoo irgendwann bereut. Man weiß halt irgendwann, was man mag…
Angekommen im eigenen Körper
Menschen in der zweiten Lebenshälfte haben oftmals schon alle möglichen körperlichen Veränderungen hinter sich gebracht, die eine Tätowierung in ihrem Aussehen beeinflussen können. Beobachtet man die Entwicklung von Menschen zwischen 40 und 70 passiert körperlich oft nicht mehr viel. Klar, die Haare werden grauer und die Haut ein bisschen schlaffer. Vielleicht wird auch der Rücken ein bisschen krumm und das Gangbild unsicherer.
Die großen, einschneidenden Veränderungen, die sich auch auf dein Tattoo auswirken können, passieren jedoch nach meiner Beobachtung eher in jüngeren Jahren.
Junge Leute experimentieren oft mit ihrem Gewicht, das gilt für Schönheitstrends genauso wie für Muskelaufbau. Leider haben besonders junge Menschen manchmal Tendenzen zu selbstverletzendem Verhalten mit Narbenbildung oder erleiden eine Essstörung. Ebenso können Schwangerschaften oder Schönheitsoperationen ein Körperbild stark verändern.
Für großflächige Tätowierungen ist es gut, wenn man in „seinem Körper“ angekommen ist und keine einschneidenden Veränderungen mehr anstrebt oder diesen gezwungenermaßen unterliegt.
Die Wahrscheinlichkeit für diesen Zustand ist nach meinen Beobachtungen (nicht statistisch belegt!) höher, je älter ein Mensch ist.
Die Budget-Frage
Ein ähnlich heikler Punkt, wie die Frage nach der zu erwartenden Lebensdauer einer Tätowierung und ihres Trägers ist die Frage nach dem Budget für ein Tattoo.
Googelt man die Begriffe „Durchschnittsgehalt oder Durchschnittsvermögen nach Alter“ fällt auf, dass Menschen wohlhabender werden, je älter sie sind.
Das ist auch logisch, denn Gehaltsgruppen steigen nach Alter und Erfahrung und Azubis und Studierende haben bekanntermaßen das geringste Einkommen.
Die Qualität von Tätowierungen ist häufig an einen dementsprechenden Preis geknüpft. Professionelle Studios, die über viel Erfahrung verfügen, rufen oft höhere Preise auf, als Neueinsteiger oder gar Artists, die in den eigenen vier Wänden nebenbei tätowieren.
Je mehr Geld man für ein Tattooprojekt zur Verfügung hat, desto mehr Möglichkeiten hat man, sich einen hochqualifizierten Künstler auszuwählen. Dabei haben ältere Menschen laut Statistik definitiv einen Vorteil.
Das heißt natürlich nicht, dass man sich nicht auch als junger Mensch ein Tattoo in einem hochpreisigen Studio leisten oder ersparen kann. Ich rate jedem dazu, das Studio nicht nach dem niedrigsten Preis auszuwählen, sondern im Zweifel die Projekte langsamer und mit längeren „Sparzeiten“ dazwischen anzugehen. Wer billig kauft, kauft meist zweimal und ein Cover-Up oder das Weglasern ist immer teurer, als direkt ein hochwertiges Tattoo zu kaufen.
Alte Haut sieht auch ohne Tattoos alt aus
Diesen Satz ließ ich vor Jahren mal auf unsere Werbepostkarten drucken und bis heute finde ich ihn absolut genial.
Lass dich nicht durch die Zahl in deinem Ausweis verunsichern, wenn du dir eine Tätowierung wünschst.
Neben den klassischen Floskeln, wie „Du bist so alt, wie du dich fühlst“, haben wir hier genug Argumente erarbeitet, die für ein Tattoo im fortgeschrittenen Alter sprechen.
Wenn du 60 Jahre alt bist und dich auch wie 60 fühlst, spricht nichts gegen eine neue oder eine erste Tätowierung. Ich bin überzeugt davon, dass wir am Ende unseres Lebens eher die Dinge bereuen, die wir nicht gemacht haben, als die Abenteuer, die wir uns nicht entgehen ließen.
Wenn du dich in diesem Artikel angesprochen fühlst, schau doch gerne mal auf unserer Homepage vorbei, besuche uns ohne Termin in der offenen Spechtstunde oder rufe uns an. Wir freuen uns!
Hast du ganz eigene Gedanken, Kritik oder Ergänzungen zu diesem Artikel? Lass uns in den Kommentaren teilhaben!
7 Kommentare
Kommentieren →Hallöchen, schön diesen Blog zu lesen. Ich werde nächstes Jahr sechzig und möchte mir vorher auf jeden Fall noch ein Tattoo stechen lassen. Allerdings war ich immer noch ein bisschen unsicher. Seit gerade nicht mehr und ich würde gerne einen Termin bei euch ausmachen. Dann melde ich mich mal über das Formular an. Vielen Dank und liebe Grüße aus Wetter. Susanne
Oh das freut mich total zu lesen <3 Wir freuen uns auf deine Anfrage!
Hallo an alle ü60ger die sich mit dem Gedanken tragen, ein erstes Tattoo stechen zu lassen. Ich bin über zwei Jahre mit diesem Gedanken beschäftigt gewesen. Ganz sicher war ich mir, dass es etwas florales werden würde. Nach meinem 61gsten war es dann soweit, erstmal nur die „Spechtstunde“, für ein Mini-Tattoo zur Probe. Das war so unglaublich schön, ein Glücksgefühl wie Weihnachten als Kind.
Ich kann nur jedem empfehlen, wenn du es wirklich möchtest dann mach es.
In nun vier Monaten habe ich einen „richtigen“ Termin, für meinen floralen Traum. Ich kann es jetzt schon kaum noch erwarten.
Liebe Grüße Klaudia
Super Beitrag, wie immer.
Ich hab meine Tante tätowiert, mit Anfang 50 das erste, mittlerweile hat sie über 10 Tattoos. Sagt aber selber sie wäre nie in ein Tattoostudio gegangen wenn nicht Nichte, Neffe und Schwiegersohn jetzt Tätowierer wären. Da wäre sie sich „komisch vorgekommen in ihrem Alter“ und „wer weiß auch was da für Leute arbeiten.“ Glaube das ist auch ein Problem, dieses alte Bild vom bärtigen Tätowierer in Rockerkutte mit Kippe auf dem Zahn und dem Buch mit fertigen Motiven im Eingangsbereich. Schön dass wir damit brechen können, mein ältester Kunde war Mitte 70 & als seine Frau ihn abholte sagte er nur „guck mal Gisela, dass sowas möglich ist!“
Danke für dein Kompliment, Rena 🙂 Genau diese Geschichten meine ich, die passieren bei uns auch immer wieder. Ich freue mich, dass auch die ältere Generation das Tätowieren für sich entdeckt.
Hallo,
Sehr interessanter Artikel. Super. Da finde ich mich doch wieder
Ich konnte mich mit Anfang 20 nicht entscheiden und es gab auch nicht so viele Möglichkeiten wie heute…..jetzt bin ich den Schritt zum Tattoo doch gegangen (meine Tochter hat mich inspiriert) und würde jetzt mal bei dir einen Termin ausmachen.
LG Sabine
Hi, jetzt hab ich wieder Mut. Mein nächstes Tattoo ist in 2 Tagen und hatte schon wieder Zweifel gehabt. Da ich auch jetzt 60 J. bin und oft bei vielen mit Vorurteilen zu kämpfen hatte. Mein erstes Tattoo war erst mit 54 Jahren. Konnte danach nicht mehr genug davon bekommen. der Beitrag hat mir sehr geholfen und mir wieder Mut gegeben. Danke 😉