Meine Antwort auf einen Instagram-Funkbeitrag
Im Oktober 2022 postete Funk einen Beitrag auf Instagram zum Thema Red Flags im Tattoostudio. Funk ist ein Content-Netzwerk, das junge Menschen anspricht und zu ARD und ZDF gehört. Funk wird von unseren Rundfunkgebühren finanziert.
Die Red Flags und die Green Flags in ihrer Gegenüberstellung in diesem Beitrag waren so oberflächlich und teilweise falsch, dass ich mich bis heute darüber ärgere und heute einen Blog Artikel zu diesem Thema verfasse.
Die Red Flags aus der Sicht von Funk
Du darfst keine Pausen machen
Okay, damit haben sie einen Punkt. Natürlich solltest du in deiner Tattoositzung jederzeit die Möglichkeit haben, eine Pause zu machen. Grundbedürfnisse, wie Trinken, der Gang zur Toilette oder einmal die Glieder ausstrecken oder frische Luft schnappen, sollten nicht ignoriert oder übergangen werden.
Anders sieht es aus, wenn man Kettenraucher zum Kunden hat. Bitte hab Verständnis dafür, dass unsere Konzentration und der Workflow extrem gestört werden kann, wenn du alle 30 Minuten eine Raucherpause einforderst.
Du darfst niemanden mitbringen. (Außer die Coronaverordnung schreibt es vor.)
Zu dieser vermeintlichen Red Flag gab es viele Kommentare unter dem Beitrag. Vor allem Tätowiererinnen und Tätowierer äußerten sich kritisch zu diesem Punkt.
Viele Studios sind räumlich nicht darauf ausgelegt, dass jeder Kunde eine Begleitperson mitbringt. Außerdem kann es störend sein, wenn man zu mehreren Tätowierern in einem Raum arbeitet und jedem Kunden gestattet, noch eine weitere Person mitzubringen. Die Lautstärke erhöht sich, es gibt automatisch Gewusel, weil jeder mal zum Klo muss, sein Handy sucht und die Luftqualität ist bei uns auch messbar schlechter, je mehr Menschen im Studio sind.
Das wichtigste in deiner Tattoositzung sollte sein, dass dein Tattoo die höchstmögliche Qualität bekommt und dafür bedarf es ein höchstmögliches Level an Konzentrationsfähigkeit der ausführenden Person.
Wenn du eine Unterstützung bei der Motivauswahl und Platzierung benötigst, ist das kein Problem. Da eine Tattoositzung jedoch vor allem für zuschauende Personen nach den ersten Nadelstichen schnell langweilig wird, raten wir dazu, die Begleitperson für die Zeit des Tätowierens in die Stadt oder zu einer anderen schönen Aktivität in der Nähe zu schicken. So kann sie in der Nähe bleiben, für den Fall, dass du sie brauchst und sie kann dich im Anschluss wieder bei uns abholen.
Dir werden intime oder sexuelle Fragen gestellt
Dieser Punkt lässt mir wirklich die Haare zu Berge stehen. Ich frage mich, ob Funk das auch über andere Dienstleister schreiben würde. Wenn dein Hundefrisör dir intime oder sexuelle Fragen stellt, ist das definitiv eine Red Flag. Mich macht dieser Punkt wütend, weil es impliziert, dass wir Tätowierer und Tätowiererinnen mit Vorsicht zu genießen sind und sicher nicht jede den moralischen Ansprüchen eines Durchschnittsbürgers entspricht.
Intime oder sexuelle Fragen sind nie okay in einem Dienstleistungsverhältnis, in dem kein rotes Licht brennt!
Der/die Tätowierer:in ist betrunken oder high
Auch hier gilt das gleiche, was ich oben schon erwähnt hatte. Funk, wir haben 2023. Ich will nicht ausschließen, dass es schwarze Schafe gibt (wie in jeder Branche) aber an dieser Stelle muss ich eine Lanze brechen für meine Kolleginnen und Kollegen, die sich seit Jahren bemühen, diesen verantwortungsvollen Job in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Wir kämpfen seit Jahren um Akzeptanz und Anerkennung in der Gesellschaft und viele erarbeiten sich fast ohne behördliche Unterstützung oder eine fundierte Ausbildung einen hochprofessionellen Standard. Bitte nehmt diese Anstrengung und die Erfolge endlich wahr und wertet uns nicht ab durch solche Beiträge.
Echte Red Flags im Tattoostudio
Der Beitrag wäre wesentlich wertvoller gewesen, wenn Funk wirklich relevante Red Flags benannt hätte.
An dieser Stelle zeige ich dir einige Punkte auf, die echte Warnhinweise für die Auswahl deines Tattoostudios darstellen können.
Es gibt keine Möglichkeit der Beratung vor der Terminvereinbarung
Wenn du einen Tattootermin vereinbaren möchtest und es vorab keine Möglichkeit gibt, deine offenen Fragen zu klären, sollte das eine Red Flag für dich sein. Ein gutes Studio ist persönlich oder schriftlich für deine Fragen empfänglich.
Die Tätowierer wollen dir einen Stil oder ein Motiv einreden, das du gar nicht möchtest
Ein seriöses Studio wird dir nichts einreden, was du nicht möchtest. Gute Tätowierer empfehlen dich an Kollegen weiter, wenn sie deinen Wunsch aus stilistischen Gründen nicht umsetzen können.
Das gilt natürlich nicht für den Fall, dass dein Motiv technisch nicht umsetzbar ist, weil es beispielsweise zu klein oder zu detailliert ist, sodass es nicht ein Leben lang haltbar ist.
Das Tattoostudio hat keinen Hygieneplan oder gibt dir keine Einsicht in selbigen
Jedes Tattoostudio muss einen Hygieneplan und einen Desinfektionsplan haben, der vom Gesundheitsamt überprüft wird. Wenn du auf Nachfrage keine Informationen zu den hygienischen Vorgängen bekommst, ist das eine deutliche Red Flag.
Das Tattoostudio hat keine schriftliche Einwilligungserklärung
Eine Tätowierung ist eine Körperverletzung, in die du schriftlich einwilligen musst. Auch sollte im Rahmen der Einwilligungserklärung auf die Risiken und mögliche Komplikationen hingewiesen werden. Findet diese Art der Aufklärung nicht statt, ist das eine eindeutige Red Flag!
Die Liste lässt sich natürlich noch erweitern. Schreibe doch gern weitere Red Flags in die Kommentare, die dir einfallen oder die du selbst erlebt hast.
Green Flags im Funk Beitrag.
Auch die Green Flags im Beitrag waren nichtssagenden und teilweise falsch.
Du weißt den Preis bevor es losgeht.
Ganz klares Nein, nicht nur von mir auch von anderen Tätowierern im Beitrag angemerkt. Grade bei großen Tattooprojekten kann es ein sehr umsichtiges Verhalten darstellen, wenn der Tätowierer dir ehrlich sagt, dass der Preis nur grob einzuschätzen ist. Oft weiß man einfach vorher nicht, wie viele Sitzungen man braucht und auch bei einer Sitzung können Zeit und Aufwand variieren.
Alternativ besprechen wir mit unseren Kundinnen und Kunden gern ein Maximalbudget, das sie für ihre Tätowierung angepeilt haben. Daran können wir uns dann orientieren und niemand erlebt eine böse Überraschung.
Du wirst fachlich beraten, ohne dass dein Körper abgewertet wird.
Diese Green Flag sollte der Standard sein. Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass Abwertung subjektiv empfunden werden kann. Wenn ich einer sehr schlanken Kundin von einem Schriftzug auf den Rippen abrate, weil die Rippen so deutlich hervorstehen, dass der Schriftzug wellig aussehen kann, ist das für den einen vielleicht ein Kompliment und jemand, der Probleme mit einem vermeintlich zu dünnen Körper hat, könnte sich bereits abgewertet fühlen.
Wir arbeiten auf Körpern und alle Körper sind unterschiedlich. So müssen wir zwangsläufig auch über Körperformen sprechen und darüber, was ratsam ist und was nicht. Das sollte natürlich auf einer respektvollen Ebene stattfinden. Solltest du dich trotzdem angegriffen fühlen, sprich es am besten sofort an.
Wenn du dich ausziehen musst oder Fotos gemacht werden, fragt der/die Artist nach deiner Einwilligung – im besten Fall schon vor dem Termin.
Dieser Punkt bezieht sich eventuell auf einen Skandal aus den vergangenen Jahren, im Zuge dessen einige Tätowierer auf Instagram „exposed“ wurden, die Nacktfotos von Kundinnen gemacht haben, um diese in Whatsapp Gruppen zu teilen. Solch ein Verhalten ist aufs Schärfste zu verurteilen. Kein Tätowierer und keine Tätowieren sollte ohne deine Einwilligung Nacktfotos von dir anfertigen. Sind Nacktfotos unumgänglich für sehr großflächige Tattooprojekte, lass dir eine schriftliche Einwilligung geben, die auch eine Datenschutzklausel für die zweckbezogene Verarbeitung deiner Bilder enthält.
Nacktbilder können notwendig sein, wenn du beispielsweise ein großes Rückentattoo planst, das deinen Po mit einbezieht. Der Tätowierer oder die Tätowiererin müssen auf allen Flächen, die tätowiert werden sollen schauen, ob Muttermale, Narben oder andere Hautveränderungen vorhanden sind. Diese müssen in die Planung des Motivs als Freiflächen einbezogen werden.
Green Flags, die ich relevanter finde
- Das Studio macht einen sauberen und gepflegten Eindruck.
- Das Studio hat feste Tätowierer oder Tätowiererinnen, die dir auch nach der Abheilung zur Verfügung stehen.
- Das Studio hat nachvollziehbare gute Googlebewertungen.
- Das Studio hat einen professionellen Internetauftritt, im Rahmen dessen du alle Informationen findest, die du benötigst. (Adresse, Inhaber, Umgang mit der Terminkaution, Terminvereinbarung)
- Das Studio geht transparent mit der Abwicklung behördlicher Vorgaben um (Einwilligung, Datenschutz, Hygieneverordnung,…)
Fällt dir zu den Green Flags noch was ein? Warum hast du dich damals für „dein“ Studio entscheiden? Schreib es gern in die Kommentare.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass der Funk Beitrag einfach nur oberflächlich und schlecht recherchiert war. Das macht mich deswegen wütend, weil es ein Format ist, das wir durch unsere Rundfunkgebühren finanzieren. Da kann man ein Mindestmaß von Recherche und hochwertigere Inhalte erwarten.
4 Kommentare
Kommentieren →Stimmt, der Funk-Beitrag war oberflächlich und Du rückst diesen mit deinem Blog etwas gerade.
Ich hoffe, Du hast das auch direkt an die Redaktion gemeldet und nicht nur in einem (unter vielen) Posts darunter kund getan. Denn grundsätzlich schätze ich die Arbeit von Funk und denke, sie können und dürfen dazulernen.
Ich selbst beschäftige mich seit ca. 5 Jahren intensiver mit der Tattooszene. Ich lasse mir eine Art Collage stechen und war bisher bei drei Künstler:innen – eine davon war Jenny aus eurem Studio.
Im Grunde ist es wie überall im Leben: respektvoller Umgang miteinander, Fragen sind besser als Reden und all die anderen „Selbstverständlichkeiten“, welche Du anführst, sollten für oder gegen ein:e Künstler:in sprechen.
Nur ebenso gibt es eben auch Kundschaft, die mal eben, aus einer Bierlaune heraus, eine kiffende Antilope gestochen haben will. Am Tag danach stellt man fest, dass der zugedröhnte Stecher in seiner Messiwohnung am Couchtisch dafür keine gute Wahl war.
Insofern, schon mal gut, wenn man durch Funk-Beiträge oder etwas bessere Blogberichte ein paar Grundregeln mitbekommen hat.
Und ja, die Branche arbeitet in den letzten Jahren positiv an ihrem Ruf. Aber es wird wohl noch lange dauern, bis er da ist wo Du und ich ihn schon sehen. Das geht Autoverkäufern und Versicherungsmaklern übrigens ähnlich – die meisten sind durchweg anständig und korrekt
Hallo Gerald, danke für deinen Kommentar! Und danke auch für den Hinweis, die Kritik an Funk direkt zu übermitteln.
Deinen Vergleich mit den Versicherungsmaklern und Autoverkäufern kann ich auch nur unterschreiben. Ich hoffe, dass du dich bei uns und mit Jennys Arbeit wohlgefühlt hast.
Viel Erfolg weiterhin mit deiner Collage 🙂
Liebe Grüße
Esther
Ich finde euren Blogbeitrag wirklich gut. Der Funkbeitrag haut Mal wieder einfache Plattitüden raus, die jeder, der sich nicht auskennt oder sich nie mit dem Thema beschäftigt hat, anerkennt und Studios oder Tättowierer/innen als unseriös abstempeln, obwohl sie es nicht sind.
Ich habe mir eins meiner Tattoos von Mara stechen lassen und ich bin super zufrieden und positiv überrascht, dass ihr eine offene Sprechstunde habt, in der meine Fragen geklärt werden konnten und in der ich auch die Machbarkeit und Größe abklären konnte.
Für mich auch drei weitere Greenflags:
1. Maras Seite, die bereits Infos gibt, wie der Besuch abläuft, welche Do’s and Dont’s es gibt und eine Empfehlung für eine Tattoocreme.
2. Ein Flyer, auf dem alles wichtige im Bereich Nachsorge noch einmal zusammengefasst ist, sodass ich es jederzeit nochmal nachlesen kann.
3. Kompetente Ansprechpartner auch im Nachhinein. Ich hatte eine allergische Reaktion auf die Tattoocreme und habe hier von euch sofort Rat bekommen!
Ich empfehle euch immer kräftig weiter und freue mich jetzt schon auf das nächste Tattoo, weil ich mich bei euch einfach gut aufgehoben gefühlt habe.
Danke dafür und den hervorragenden Blogbeitrag!
Liebe Katja, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, einen so tollen Kommentar für uns zu schreiben, das freut mich sehr!
Liebe Grüße
Esther