Wenn du selbstständiger Tätowierer bist oder auf dem Weg dorthin, hast du dir sicher schon die Frage gestellt, wie du deinen Stundensatz berechnen solltest.
Auch für den Fall, dass du Pauschalpreise pro Motiv erhebst, hast du (oder solltest du) eine Kalkulation erstellt haben, in wie viel Zeit du wie viel Geld einnehmen musst, um wirtschaftlich zu arbeiten.
Um die Aufschlüsselung der Finanzen soll es in diesem Artikel gehen
Stundensatz oder Pauschalpreis?
Diese Frage muss sich jeder Tätowierer selbst beantworten. Für die einen ist es einfacher und angenehmer, einen Preis pro Tattoo zu nennen, andere verkalkulieren sich mit dieser Methode häufig und wählen die Bezahlung nach Stunde.
Beide Wege sind möglich und legitim. Trotzdem muss bei beiden Wegen am Ende des Tages das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Bruttoumsatz stimmen.
Wenn du Pauschalpreise pro Motiv erhebst, musst du dir ziemlich sicher sein, wie lange du an der Tätowierung arbeitest. Nur so kannst du effektiv wirtschaften und deine Kundenplanung dementsprechend anlegen.
Im Folgenden rede ich also nur noch vom Stundensatz, denn auch bei Pauschalpreisen hat der Tätowierer sich vorab überlegt, wie viele Stunden er an dem Tattoo arbeitet und wie viel Geld er pro Stunde umsetzen möchte.
Wie hoch sollte ich meinen Stundensatz ansetzen?
Wenn du selbstständig bist und deinen Stundensatz selbst bestimmst, kann ich dir im Vorhinein ohne jede weitere Information deinerseits sagen: fange niemals unter 80 Euro pro Stunde an zu arbeiten. Ein Stundensatz unter 80 Euro lohnt sich für uns Tätowierer nie!
Nach oben hin wird die Grenze natürlich durch die Nachfrage von Kunden gesetzt. Irgendwo gibt es eine Grenze, ab der die Kunden nicht mehr bereit oder in der Lage sind, deinen Stundensatz zu bezahlen. Wie hoch du ansetzen kannst, hängt natürlich von deinem Bekanntheitsgrad ab, wie weit im Voraus du ausgebucht bist und ob du eine Nische bedienst, in der dir kein Kollege und keine Kollegin das Wasser reichen kann. Einen ähnlichen Artikel darüber hatte ich hier bereits verfasst.
Realistische Kalkulation des Stundensatzes
Um berechnen zu können, was du pro Stunde verlangen solltest, musst du dir vorab zwei Fragen stellen:
Wie hoch sind meine Ausgaben?
Wie viel Zeit habe ich zum Geldverdienen zur Verfügung?
Die Ausgabenseite
Hier sieht es natürlich bei jedem Tätowierer anders aus. Je nachdem, ob du selbstständig in einem Shop arbeitest oder deinen eigenen Laden unterhältst, variieren die Ausgaben.
Mache eine Liste aller Ausgaben und vergiss auch die privaten Lebenshaltungskosten nicht, denn diese müssen auch von deinem Stundensatz bezahlt werden.
Hier habe ich eine Liste vorbereitet, aus der du beliebig alle Posten rausschreiben kannst, die für dich in Frage kommen und natürlich fehlende ergänzen.
Manche Posten kann man nur schätzen oder eine Mischkalkulation anlegen. Zum Beispiel wie viel Geld man für neue Tattoomaschinen oder Elektrogeräte, wie beispielsweise ein iPad zurück legen muss. Andere Beträge werden regelmäßig abgebucht und sind jeden Monat zu berücksichtigen.
Für die weitere Berechnung nehmen wir fiktive Beträge, um zu verdeutlichen, wie du deinen Stundensatz berechnen musst.
Angenommen, deine privaten Ausgaben belaufen sich auf 2000 Euro monatlich. Du finanzierst ein Auto, hast eine nette Wohnung und unternimmst kostspielige Hobbys.
Hinzu kommen die geschäftlichen Ausgaben. Ich gehe von einem mittelpreisgen Ladenlokal und durchschnittlich teurem Equipment aus und rechne mit geschäftlichen Ausgaben von 3500 Euro pro Monat.
Wir müssen also 5.500 Euro erwirtschaften, um alle Kosten zu decken.
Wie viel Zeit habe ich zum Tätowieren?
Das Jahr hat 365 Tage. 104 Tage sind Wochenende, im Schnitt sind 13 Tage Feiertage, du möchtest an 28 Tagen Urlaub machen und 10 Tage ziehe ich für eventuelle Krankheiten ab. Bleiben also 210 Tage zum Geld verdienen. Pro Monat hast du also 17,5 Tage zum Geldverdienen übrig.
Teilen wir 5.500 Euro auf 17,5 Tage auf, musst du pro Tag c.a. 314 Euro einnehmen.
Wer aber jetzt die 314 durch 8 teilt, weil wir am Tag 8 Stunden arbeiten, hat etwas wichtiges vergessen:
Administrationszeit
So nennt man die Zeit, die man als Selbstständiger arbeitet, ohne effektiv dafür bezahlt zu werden. In unserem Fall sind das die Stunden, in denen wir putzen, vorbereiten, Material bestellen, Werbung planen, mit Kunden sprechen, Entwürfe umzeichnen und so weiter. Niemand bezahlt uns für diese Stunden, aber es ist Arbeit.
Niemand möchte diese Stunden „on top“ nach den anvisierten 8 Stunden Arbeit am Tag noch leisten. Durchschnittlich sagt man, dass man von den 17,5 Arbeitstagen 5,5 Tage für Administration abziehen muss, sodass am Ende nur noch 12 ganze Arbeitstage übrig bleiben.
Die richtige Rechnung, wenn wir für jede Stunde unserer Arbeit bezahlt werden wollen, ist also 5.500 Euro geteilt durch 12 ist circa 458 Euro, die du pro Tag erwirtschaften musst.
Ungeplante Ausfälle
Jeder kennt es: so genannte „No Shows“, also Kunden, die nicht auftauchen oder solche, die so kurzfristig absagen, dass man keinen Ersatzkunden findet.
Um diese Ausfälle auffangen zu können, runde ich die 458 Euro pro Tag auf 500 Euro auf. Das sind knapp 500 Euro mehr pro Monat, als Rücklage für Ausfälle. Das klingt zwar viel, ist aber beispielsweise zur Grippesaison immer noch zu wenig.
Zwischenfazit zum Stundensatz
Wer, wie ich, nicht länger als fünf Stunden pro Tag tätowieren möchte, muss also nach dem bisherigen Rechnungsbeispiel 100 Euro pro Stunde berechnen.
War da nicht noch was? Das leidige Thema Steuern…
Wenn du Mehrwertsteuer abtreten musst, kommen zu den 100 Euro natürlich noch 19% Mehrwertsteuer hinzu. Dies ist der Fall, wenn du kein Kleingewerbe angemeldet hast oder mehr als 17.500 Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftest. Nicht berücksichtigt sind in diesem Fall die Einkommenssteuer, die von deinem dir selbst ausgezahlten Lohn abgezogen wird und die Gewerbesteuer, die deine Stadt oder Kommune erhebt. Da diese Steuersätze individuell variieren, ist es mir nur schwer möglich, diese Zahlen in meine beispielhafte Kalkulation einzubeziehen.
Deinen Stundensatz berechnen
Ich hoffe sehr, dass du diesen Artikel gut verstanden hast und nun in der Lage bist, einen realistischen Stundensatz für dich, deine Arbeit und deinen Lebensstil zu berechnen.
Jedem sollte beim Lesen klar geworden sein, dass Tagesumsätze von 200, 100 oder weniger Euro nicht wirtschaftlich sein können, auch wenn das erstmal so klingt, wenn man grob 200 Euro mit 25 Arbeitstagen pro Monat kalkuliert. Auf das ganze Geschäftsjahr gesehen, geht diese Rechnung nicht auf.
Als Tätowierer können wir unsere Einnahmen nicht endlos nach oben skalieren. Trotzdem hat jeder etwas Spiel in seiner Kalkulation, je nachdem, ob die Kunden bereit sind, mehr zu bezahlen oder man in der Lage ist, mehr Stunden pro Tag zu tätowieren.
Ergänzende Einnahmequellen
Führst du einen eigenen Shop, sind Gasttätowierer oder auf selbstständiger Basis arbeitende Kollegen eine gute Möglichkeit, sich bei der monatlichen Finanzierung der laufenden Kosten finanziell unterstützen zu lassen. Eine feste Arbeitsplatzmiete oder eine pauschale Prozentabgabe sichern dir ein passives Einkommen und können grade im Urlaubs- oder Krankheitsfall existenziell wichtig sein.
Viele Tätowierer verkaufen auch Prints ihrer Zeichnungen oder Kleidung, um die Studiokasse aufzustocken.
Tipp: Versuche alle Arbeiten, für die du nicht effektiv bezahlt wirst, auszulagern.
Wenn du erfolgreich selbstständig arbeiten willst, musst du dir über kurz oder lang eines klar machen: Du wirst für das Tätowieren und maximal noch für das Zeichnen gebucht und bezahlt. Niemand bewertet dich für deine Putz-Leistung, deine Kompetenz am Telefon, deine Fähigkeit zur lückenlosen Buchhaltung, und so weiter. All diese Tätigkeiten rauben dir wertvolle Tätowierzeit und bringen kein Geld. Überlege gut, ob du die eine oder andere Tätigkeit nicht „outsourcen“ kannst. Wenn du dir keine Reinigungskraft leisten kannst oder eine zusätzliche Kraft für den Bürokram, reicht es vielleicht für eine virtuelle Assistenz, die nur ein paar Stunden in der Woche deine E-Mails oder deine Online-Auftritte betreut. Auch auf diesem Sektor sollte unserer Kreativität keine Schranke gesetzt werden
Es kommt dich am Ende des Monats günstiger, wenn du einer Thekenkraft 10, 12 oder mehr Euro bezahlst, um Kundenberatungen zu bewältigen und du in dieser Stunde 100 Euro durch das Tätowieren generierst.
Solltest du noch weitere Tipps, noch Fragen, Kritikpunkte oder Anregungen hast, schreibe sie doch gern in die Kommentare, damit alle Leserinnen und Leser daran teilhaben können.
1 Kommentar
Kommentieren →[…] hatte alle Mühen, der Kundin zu erklären, dass in dem Preis von 120 Euro nicht nur mein Stundenlohn von 100 Euro enthalten ist, sondern dass ich auch die Zeit für die Zeichnung anteilig berechnen […]