Um das Thema Nachstechen von Tattoos ranken sich viele Mythen und Fragen. Wann muss es passieren, wie oft, kostet das was, muss jedes Tattoo nachgestochen werden? Vieles habe ich bereits in einem Blogbeitrag aus 2018 ausgeführt.
Aus aktuellem Anlass baten mich einige Tätowiererinnen aus meinem Team bei Zum Buntspecht Tätowierungen, dieses Thema nochmal aufzugreifen. Vielleicht arbeitest du selbst in der Dienstleistungsbranche oder in einem Beruf, der mit Kundenkontakt einher geht. Dann ist dir sicher aufgefallen, dass sich „die Kundschaft“ seit Corona verändert hat. Dazu möchte ich gar nicht ins Detail gehen, aber zusammenfassend sagen, dass es seit Corona ein größeres Konfliktpotential mit Kund*innen gibt. Dieses betrifft auch das Thema Nachstechen. Ich hoffe, dass dieser Beitrag dazu beitragen kann, unsere Seite besser zu verstehen und Diskussionen im Studio vorzubeugen.
Wann sollte nachgestochen werden?
Deine Tätowierung muss nachgestochen werden, wenn im Abheilungsprozess Farbe verloren gegangen ist. Diesen Satz haben wir bisher pauschal zu unserer Kundschaft gesagt und heute möchte ich ihn präzisieren.
Die Notwendigkeit des Nachstechens liegt vor, wenn an einer oder mehr Stellen deutlich Farbe im Tattoo fehlt und eine sichtbare Lücke entstanden ist.
Wann muss nicht nachgestochen werden bzw. was ist normal?
Ein abgeheiltes Tattoo sieht meistens nicht mehr so aus, wie frisch nach dem Stechen. Unsere Haut ist ein lebendes Organ, in dem sich die Farbpigmente anordnen, das altert und durch äußere Einflüsse verändern kann. Manche Kund*innen haben Glück und ihre Tattoos sehen ewig aus, wie am ersten Tag. Andere sehen schon nach zwei oder drei Wochen Veränderungen. Linien, die leicht unterschiedliche Durchmesser aufweisen, Bereiche, die heller werden, als andere, Farbbereiche, die porengroße Sprinkler hellerer Farbtöne aufweisen.
Wir arbeiten nicht kostenfrei nach, wenn dein Tattoo hautbedingte Abweichungen von der ursprünglichen Zeichnung zeigt.
Warum lehnen wir manche Nachstecharbeiten ab?
Hauttypische Veränderungen in der Tätowierung lassen sich häufig nicht durch einmaliges Nacharbeiten korrigieren. Wenn du dazu neigst, dass Linien in deiner Haut mal dicker und mal dünner ausfallen, dann wird das auch nach dem Nachstechen noch so sein – nur deutlicher, da wir ja noch mehr Pigmente in die Haut bringen.
Wenn bei dir Schwarz heller abheilt, als beim Durchschnitt, können wir das nicht durch Nachstechen korrigieren. Jeder Mensch hat einen eigenen Hauttyp, der auch das Aussehen der Tattoos mitbestimmt.
Wenn du ein Tattoo hast, das einwandfrei abgeheilt ist und du mit der Lupe eine Stelle gefunden hast, wo 0,5-1mm Farbe fehlt, lehnen wir das Nachstechen ebenfalls ab. Warum? Für das Nacharbeiten müssen wir einen komplett hygienischen Arbeitsplatz aufbauen, neue Nadeln bereitstellen und alles so vorbereiten, als würden wir dir ein ganz neues Tattoo stechen. Das ist nicht nur im Bezug auf die Umwelt eine Sünde, es würde auch die ohnehin schon stark gestiegenen Tattoopreise noch weiter nach oben treiben. Nachstechen beinhaltet nahezu den gleichen Materialaufwand, wie ein neues Tattoo.
Wenn du der Umwelt einen Gefallen tun willst, lass deine Tattoos im Rahmen einer ohnehin geplanten Tattoositzung nacharbeiten. So schonst du die Umwelt und indirekt auch die Tattoopreise.
Nachstechen oder Korrigieren?
Immer häufiger kommen auch Kund*innen mit dem Wunsch nach einer Nachstechsitzung zu uns, die eigentlich kein Nachstechen brauchen, sondern eine Korrektur wünschen.
Wenn deine Tätowierung einwandfrei abgeheilt ist, du jedoch eine nachträgliche Veränderung wünschst, ist es kein Nachstechen. Ein nachträgliches Verdicken der Linien, eine nachträgliche Färbung von Bereichen, die schwarz-weiß angelegt waren oder kleine Ergänzungen am Tattoo sind keine Nachstecharbeiten und müssen vergütet werden.
Bedenke bitte immer, dass eine Tätowierung auf Haut ein Kunstwerk ist, das mit dir lebt und altert. Es leidet in der Sonne, es kann Pigmente durch aufgekratzte Mückenstiche verlieren, es verzieht sich, wenn du zunimmst und vergraut im Laufe der Jahre, wie unsere Haare. Wenn du den Anspruch hast, dass jede Linie und jede Fläche lupenrein und gleichmäßig, wie frisch aus dem Laserdrucker aussehen muss, ist eine Tätowierung nicht das richtige Medium für dich. In diesem Fall solltest du dein Traummotiv besser gerahmt an die Wand hängen und das meine ich nicht zynisch. Ich hoffe, dass dir der Artikel gefallen hat und freue mich über Feedback und Anregungen in den Kommentaren oder per Mail.
2 Kommentare
Kommentieren →Vielen Dank für deinen Artikel. Er war für mich sehr aufschlussreich.
Mein erstes Tattoo ist jetzt 3 Wochen alt und bisher gut verheilt. Über die eine oder andere Stelle habe ich mir Gedanken gemacht, weil es so aussieht, als wäre Farbe verloren gegangen.
Dein Artikel hat mich aber in der Hinsicht beruhigt und ich vertraue meiner Tätowiererin voll und ganz.
Sie wird wissen wo Handlungsbedarf besteht und wo nicht.
Vielen Dank und liebe Grüße
Sabrina
Hey Sabrina, danke für dein positives Feedback zu meinem Artikel! Ich wünsche dir weiterhin viel Freude mit deiner Tätowierung 🙂
Esther